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Als der Stern des Reiches von Angkor
zu sinken begann, nutzten einige lokale Tai-Fürsten
die Gelegenheit, um sich von den autokratischen Khmer-Herrschern
zu befreien.
1238 erhoben sich zwei Tai-Führer mit Namen Khun
Bang Klang Tao und Khun Pha Mung. Ihr erstes Ziel
war die damals relativ unbedeutende und darum nur schwach befestigte
Stadt Chalieng, das heutige Si
Satchanalai. |
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Hier teilten sie ihre Truppen auf. Ein grosser Teil
forderte die Armee des Khmer-Generals Khun Lamphong,
die in der Garnisonsstadt Sukothai
stationiert war, zur Schlacht. Der kleinere Teil drang in die daraufhin
nur schwach verteidigte Stadt ein und eroberte diese. Khun
Bang Klang Tao ernannte sich unter dem Namen Sri
Inthrathit zum König von Sukothai und
sein Gefährte Khun Pha Mung wurde Herrscher von Chalieng.
Da er mit einer Khmer-Prinzessin verheiratet war, misstraute ihm
das Volk und wollte ihn nicht zum Herrscher haben. Chalieng
und Sukothai waren in der Folge eng miteinander verbunden.
Sukothai war der Sitz des Königs, Chalieng
der Sitz des Vizekönigs. |
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Sri Inthrathit errichtete in Sukothai
eine äusserst liberale Staatsform, die weitere Tai-Führer
anzog. Die Folge war, dass Sukothai immer mehr an Einfluss
gewann. 1253 fielen die Mongolen unter Kublai
Khan in Südchina ein. Die Folge war ein grosser Flüchtlingsstrom
in Richtung Süden. Die Flüchtlinge waren hier hochwillkommen,
da sie die Rolle der Tai im Gebiet des heutigen Thailand
zusätzlich stärkten.
Sri Inthrathit folgte sein Sohn Banmuang
auf den Thron. Über seine Regierungszeit ist aber kaum etwas
überliefert worden, weswegen man vermuten kann, dass sie in
ruhigen Bahnen verlief und wohl eher eine Zeit der Konsolidierung
war. 1279 übernahm schliesslich Sri
Inthrathits Sohn Ramkamhaeng
den Thron von seinem Bruder und dies sollte eine Sternstunde in
der Geschichte Thailands werden. Ramkamhaeng war ein
militärisches Genie, zeichnete sich aber vor allem auch durch
geschickte Diplomatie aus. Er knüpfte Handelsbeziehungen zu
China und den Mongolen und brachte von einem Besuch am Hofe Kublai
Khans u.a. das Wissen um die Keramikherstellung mit. In Sukothai
adaptiert, wurde die “Sangkhalok-Keramik” schnell ein bedeutender
Exportschlager und Wirtschaftsfaktor des jungen Reiches.
Aufgrund seiner militärischen Fähigkeiten gelang es Ramkamhaeng
sehr schnell fast das gesamte Gebiet des heutigen Thailand unter
seine Kontrolle zu bringen. Hierbei setzte er auf eine eigentümliche
Mischung aus Härte und Milde. Wenn er andere Fürstentümer
nicht mit diplomatischen Mitteln zum Anschluss an Sukothai
bewegen konnte, setzte er seine gutausgebildete Armee in Marsch.
Waren sie dann erst erobert, liess Ramkamhaeng sie jedoch
wieder weitgehend autonom gewähren. Sie waren zwar tributpflichtig,
durften ihre Belange aber grösstenteils selber regeln. In einigen
Fällen wurden Allianzen auch durch Hochzeiten gefestigt, so
dass viele der eroberten Gebiete letztlich von Ramkamhanegs
Verwandten beherrscht wurden. Noch dazu liess Ramkamhaeng
sie am Wohlstand Sukothais teilhaben und leistete so einen
entscheidenden Beitrag an der Entwicklung vormals rückständiger
Gebiete.
m Norden Sukothais hatte inzwischen ein junger König
namens Mengrai
das Königreich Lan
Na gegründet. Ramkamhaeng knüpfte
freundschaftliche Beziehungen zu Mengrai und liess diesen
in seinem Expansionsdrang gewähren. Vermutlich sah er in Lan
Na auch einen nützlichen Pufferstaat zwischen Sukothai
und den Mongolen in China. Zusammen mit Mengrai und seinem
Jugendfreund Ngam Muang, dem Herrscher von Phayao,
knüpfte Ramkamhaeng Allianzen, die die drei Reiche
vor einem Einmarsch der Mongolen schützen sollten. Ramkamhaengs eigentliche
Verdienste liegen jedoch auf anderem Gebiet. Ramkamhaeng
erkannte sehr schnell, dass gerade eine einheitliche Sprache und
Schrift die Basis einer nationalen Identität bilden und entwickelte
aus Schriftzeichen der Mon und Khmer das Taialphabet,
welches, leicht abgewandelt, auch heute noch benutzt wird. Erstes
Zeugnis dieser neuen Schrift ist der berühmte Insignienstein,
der heute im National
Museum in Bangkok
zu besichtigen ist und eine wichtige Quelle über die Regierungszeit
Ramkamhaengs darstellt.
Um sich auch kulturell von den ehemaligen Khmer-Herrschern
abzugrenzen, erklärte er den singhalesischen Hinayana-Buddhismus
zur Staatsreligion. Um diese Religion im Volk zu verankern, lud
er Mönche aus Sri Lanka ein und liess eine Unzahl
von Tempeln bauen. Der König selbst pflegte einen äusserst
liberalen Regierungsstil. Von den Mon übernahm er
den Thammasat, einen, stark vom Buddhismus geprägten,
Verhaltenskodex für Herrscher, in dem diese zu Milde, Liberalität
und Gerechtigkeit angehalten werden. |
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Da Ramkamhaeng das Wohl jedes einzelnen
Untertanen am Herzen lag. liess er an seinem Palast eine Glocke
anbringen, die jeder Untertan, gleich welchen Standes, läuten
konnte, um eine Audienz beim König zu erhalten. Selbstredend
war auch die Sklaverei in Sukothai abgeschafft. Jeder sollte
nach seiner Facon selig werden.
So entwickelte sich Sukothai zu einem der wichtigsten Macht-,
aber auch Kulturzentren in Südostasien. Der Sukothai-Stil,
der in einer eigenständigen Architektur und vor allem Bildhauerkunst
gipfelte, gilt als erster originärer Kunststil Thailands.
Die Meisterschaft der Handwerkskunst gipfelte in den Buddhastatuen
des Sukothai-Stils. Die Statuen zeichnen sich durch runde,
fliessende Formen aus, |
die ihnen etwas Schwereloses geben und die Besonderheit
des Buddha unterstreichen. Die Gesicher strahlen einzigartige
Milde und Gelassenheit aus. Das wohl schönste Beispiel ist
der Phra Buddha Chinarat im Wat
Phra Sri Rattana Mahathat in Phitsanulok.
Unter Ramkamhaeng erlangte Sukothai seine Blüte
und gilt heute als Wiege der Thaikultur. Die Verehrung für
diesen grossen und visionären König ist bis heute, über
700 Jahre nach seinem Tod, ungebrochen und er gilt als Idealbild
eines sanftmütigen, gütigen und fähigen Herrschers.
Als Ramkamhaeng 1298 starb, begann auch
langsam der Nierdergang Sukothais, da keiner seiner Nachfolger
das Potential und die Weitsicht dieses Königs hatte.
Sein Sohn Lo
Thai widmete sich lieber seiner spirituellen Vervollkommnung,
was in einer Vielzahl von Tempeln gipfelte, die unter ihm gegründet
wurden. Lo Thai schreckte vor allem vor Gewaltanwendung
zurück, was dazu führte, dass sich immer mehr Fürstentümer
von Sukothai abspalteten und die Ausdehnung des Reiches
massiv zurückging.
Lediglich unter Ramkamhaengs Enkel Li
Thai, erlebte das Reich eine weitere Blüte.
Li Thai gelang es, verlorene Gebiete zurückzuerobern
und das Reich wieder zu vergrössern. Auch kulturell ging es
wieder aufwärts, besonders in der Architektur : Einige der
schönsten Tempel Sukothais stammen aus der Regierungszeit
Li Thais.
Unter Li Thais Nachfolger Thammaracha
II. begann jedoch der entgültige Niedergang
Sukothais. Im Süden war das Königreich Ayutthaya
zur stärksten Macht geworden und begann nun massiv Druck auf
Sukothai auszuüben. 1371 konnte
ein erster Angriff Ayutthayas auf Sukothai noch
abgewehrt werden, 1378 wurde die Stadt jedoch erobert
und Thammaracha II. gefangen genommen. Er leistete daraufhin
den Lehenseid und Sukothai wurde ein Vasall Ayutthayas.
In der Folge spielte Sukothai nur noch eine unbedeutende
Rolle in den Auseinandersetzungen der Grossmächte Ayutthaya,
Lan Na und Burma, wurde 1438 sogar
verlassen und geriet in Vergessenheit.
Nach dem Fall Ayutthayas und der Neukonsolidierung des
Reiches in Bangkok, förderten die Chakri-Könige
die Erinnerung an Sukothai, als Basis einer neuen nationalen
Identität. Rama
I. befahl die Errichtung einer neuen Stadt, etwas
ausserhalb der alten Ruinen und er und seine Nachfolger liessen
eine Unzahl von Kunstschätzen aus Sukothai in die
neue aufstrebende Hauptstadt Bangkok schaffen. Dies diente
zum Einen dazu, die Macht der Chakri-Könige zu legitimieren,
rettete aber auf der anderen Seite auch unzählige Meisterwerke
vor dem völligen Verfall. Die Ruinen Sukothais sind
heute ein Weltkulturerbe der UNESCO und für jeden, der sich
für Geschichte und Kultur Südostasiens interessiert ein
absolutes Muss. |
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