Der Amerikaner Jim Thompson war eine schillernde Persönlichkeit der neueren thailändischen Geschichte und sein Leben widerlegt alle Klischees, die man von Amerikanern in Südostasien hat, denn er war sicherlich ein "stiller Amerikaner", aber alles andere als so ignorant gegenüber anderen Kulturen, wie der Pyle aus Graham Greenes Roman.
 
Jim Thompson wurde 1906 in Greenville, Delaware geboren. Obwohl er schon früh ein grosses Interesse an Kunst entwickelte, entschloss er sich an der University of Pennsylvania Architektur zu studieren. Bis zum Jahr 1940 arbeitete er als Architekt in New York. Der Zweite Weltkrieg veränderte jedoch auch sein Leben nachhaltig. Jim Thompson meldete sich freiwillig zur US-Army. Er kam zum OSS (Office of Strategic Services), dem Vorläufer der CIA. Hier durchlief er eine harte Ausbildung, in der er u.a. auch das Überleben im Dschungel lernte.
In Europa und Afrika nahm er an verschiedenen Kampfeinsätzen teil und wurde 1945 schliesslich nach Thailand abkommandiert, wo er zusammen mit französischen Einheiten und thailändischen Rebellen gegen die Japaner und für ein freies und unabhängiges Thailand kämpfen sollte. Einer seiner Kameraden war Alexander McDonald, späterer Gründer der Bangkok Post.
Die Kapitulation der Japaner vereitelte jedoch einen Kampfeinsatz auf thailändischem Boden. Thompson wurde lokaler OSS-Leiter in Bangkok und arbeitete mit McDonald an der Errichtung der US-Botschaft. Zu dieser Zeit war er einer der ersten Amerikaner, die sich nach dem Krieg in Thailand aufhielten. Schnell entwickelte er eine tiefe Liebe zu dem Land, seiner Kultur und zu seinen Menschen.
Schon Thompsons Familie hatte eine gewisse Beziehung zu Thailand. Sein Grossvater James Harrison Wilson Thompson, ein Bürgerkriegsgeneral, der nach dem Ende seiner Militärzeit viele Länder bereist hatte, war in England während der Hochzeit Georges V. mit König Vajiravudh zusammengetroffen und als der König wenige Jahre später die USA besuchte, war ihm Thompson als offizieller Begleiter zugeteilt worden. Zum Abschluss des Besuches wurde auf dem Grundstück der Thompsons eine grosse Gartenparty veranstaltet und Jim Thompson hatte als Kind oft die Bilder dieser Party bewundert.
1946 wurde Jim Thompson aus dem Dienst der OSS entlassen und er entschloss sich, in Thailand zu bleiben, um dort ständig zu leben. Ein Grund lag in der Scheidung von seiner Frau, einem amerikanischn Model. Offensichtlich liess ihn Thailand aber auch nicht mehr los. Er hatte erkannt, dass das Land nach dem Ende des Krieges und mit dem Aufkommen des Massenflugverkehrs ein enormes touristisches Potential hatte. Was damals fehlte, waren Unterkünfte für die Touristen, die internationalen Standards entsprachen. Thompson engagierte sich aktiv an der Wiederherrichtung des ehrwürdigen Oriental Hotels am Ufer des Chao Phraya, dessen Direktor er kurzzeitig war und das auch heute noch als eines der besten Hotels der Welt gilt. Er zerstritt sich jedoch mit der zweiten Direktorin, Germaine Krull , und zog sich aus dem Oriental zurück.
Auf der Suche nach weiteren Beschäftigungen reiste Thompson quer durch das Land. Hierbei fiel sein Augenmerk schliesslich auf die Herstellung von Seidenstoffen. Mitte des 20. Jahrhunderts lag die vormals bedeutende thailändische Seidenindustrie brach. Der Grund lag in der maschinellen Herstellung von Seide in anderen Ländern. Nur wenige Familien beherrschten in Thailand überhaupt noch die Kunst der Seidengewinnung und was sie herstellten diente hauptsächlich dem Eigenbedarf. Der gesamte Prozess der Seidengewinnung drohte in Vergessenheit zu geraten. Thompson war beeindruckt von den Mustern und vor allem der groben Textur der thailändischen Seide, die so anders war, als die maschinell hergestellte Seide aus Europa und Japan. Er begann sich intensiv mit dem langwierigen Prozess der Seidengewinnung auseinanderzusetzen. Um das Potenzial der Thai-Seide bewerten zu können, schickte er 1947 einige Exemplare zu seinem Freund Frank Crowninshield nach New York. Dieser war ein ehemaliger Herausgeber der "Vanity Fair" und besass gute Kontakte zur New Yorker Modewelt. Crowninshield zeigte die Exemplare der Herausgeberin der "Vogue", Edna Woolman Chase, die zu dieser Zeit quasi bestimmte, was in der amerikanischen Modewelt angesagt war und was nicht. Diese war beeindruckt von dem "neuen" Stoff und kurz darauf erschienen erste Aufnahmen von Thai-Seide in der "Vogue". Bestärkt durch diesen Erfolg eröffnete Thompson zuerst einen kleinen Laden, der neben Seide auch noch andere Handwerkskunst aus Thailand anbot. 1948 gründete er schliesslich die Thai Silk Company Ltd..
Eine neue Logistik musste geschaffen werden und um eine gleichbleibende Qualität der Seide gewährleisten zu können, mussten bestimmte Verfahren standardisiert werden. Thompson persönlich überwachte den Prozess, wann immer möglich und erdachte einige Verbesserungen des Gewinnungsprozesses. Hierbei legte er jedoch grossen Wert darauf, dass die Kontrolle über die Firma immer in den Händen von Thais lag.
Im Jahre 1949 erlitt jedoch Thompsons Liebe zu Thailand einen erheblichen Dämpfer. Schon seit den Tagen seiner Agententätigkeit war er mit Pridi Banomyong befreundet, der zusammen mit Seri Pramoj die Seri Thai Bewegung gegründet hatte, die die japanischen Besatzer und die mit ihnen kollaborierende Regierung Phibul Songkhrans im Untergrund bekämpfte. Nach der Kapitulation der Japaner musste Phibul das Land als Kriegsverbrecher verlassen und Pridi wurde Premierminister. Nach dem mysteriösen Tod des Königs Rama VIII. lancierten rechte Kreise jedoch Gerüchte, Pridi sei in irgendeiner Weise in die Sache verwickelt.
1948
kam es schliesslich zu einem Staatsstreich und Phibul Songkhran, der für Thompson eigentlich als Feind aus alten Zeiten galt, kehrte aus dem Exil zurück und übernahm die Regierung. Pridi floh nach China. In der Folge kam es zu einer blutigen Säuberungswelle, der auch Bekannte und Freunde Thompsons zum Opfer fielen. Trotzdem blieb Thompson in Thailand. Seine Liebe zu dem Land war offensichtlich stärker, als seine politischen Ansichten.
Anfang der fünfziger Jahre gelangte Thai-Seide an den Broadway und löste einen wahren Boom aus. Die Weber produzierten soviel Seide, wie nie zuvor.
Im Jahre 1959 bezog Jim Thompson sein neues Haus in Bangkok, dass schon bald in den Mittelpunkt der Gesellschaft rückte. Die Thai-Seide war zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt und hatte weltweite Beachtung erreicht. Zum Beispiel wurden für den Film Ben Hur alle wichtigen Kostüme aus Thai-Seide gefertigt.
1960 trug Königin Sirikit während eines Besuches in Amerika eine exquisite Kollektion aus Thai-Seide, mit der sie die Modewelt beeindruckte. Die Thai Silk Company öffnete Verkaufsfillialen in 35 Ländern weltweit. 1962 erhielt Jim Thompson von der thailändischen Regierung den "Orden des weissen Elefanten" für seine Bemühungen um die thailändische Seidenindustrie und die thailändische Kultur.
Während all der Jahre des wirtschaftlichen Erfolges, hatte Thompson, der ein begeisterter Sammler und Förderer der Kunst Südostasiens war, nie eine Sache aus den Augen verloren : Alles was in Thailand geschaffen wurde, musste vor allem auch den Thais zugute kommen. Schon früh hatte er Thais in die Leitung der Firma involviert und er sorgte persönlich dafür, dass die Gewinne aus der Firma auch an die Thais zurückflossen. Er sah seine persönliche Leistung auch nicht so sehr in

der Gründung der Thai Silk Company und der erwirtschafteten Gewinne, sondern vielmehr in der Tatsache, dass diese Firma unvermeidlich Konkurrenzunternehmen in Thailand zur Folge hatte und diese wiederum den Grundstein für eine florierende Industrie legten, die einer Unzahl von Thais Arbeit geben konnte.
Thompson liess auch testamentarisch verfügen, dass sein Haus und seine umfangreiche Kunstammlung nach seinem Tode an den thailändichen Staat fallen. Er war als Sammler thailändischer Kunst beinahe notorisch und dies brachte ihm auch eine der schlimmsten Enttäuschungen seines Lebens ein. Er geriet in Konflikt mit dem Fine Arts Department, das ihn des Diebstahls von fünf Buddhaköpfen bezichtigte. Thompson eklärte, er habe seine Sammlung nur angelegt, um die Stücke in Thailand zu halten und sie davor zu bewahren, auf Nimmerwiedersehen im Ausland zu verschwinden. Das Department blieb jedoch hart. Man vermutete auch, das einflussreiche Konkurrenten hinter der Anklage standen. Auf der anderen Seite muss man das Department auch verstehen, denn die Ausrede, man wolle die Stücke nur schützen, oftmals noch gepaart mit dem diskreten Verweis, der thailändische Staat sei dazu ja nicht in der Lage, war schon immer eine beliebte Ausrede von Kunstdieben. Thompson blieb nichts anderes übrig, als die Buddhaköpfe zurückzugeben und enttäuscht und verärgert veräusserte er auch alle anderen thailändischen Stücke seiner Sammlung und konzentrierte sich in der Folge auf das Sammeln von Keramiken und religiöser Kunst der umliegenden Länder. So gross muss seine persönliche Enttäuschung gewesen sein, dass er umgehend sein Testament änderte und einen Neffen als Erben einsetzte.
Im März 1967 machte Jim Thompson mit einer Freundin Urlaub auf dem Landsitz eines befreundeten Ehepaares in den Cameron Highlands in Malaysia. Thompson war ein begeisteter Wanderer und liebte es, im Dschungel umherzuschweifen. Während seiner Zeit beim OSS war er gründlich für das Überleben in der Wildnis ausgebildet worden. Am Ostersonntag 1967 bemerkten seine Gastgeber noch, wie Thompson in legerer Freizeitkleidung das Haus verliess. Als starker Raucher hatte er selbst seine Zigaretten zurückgelassen. Anschliessend wurde er nie mehr wieder gesehen.
Eine umfangreiche Suchaktion wurde eingeleitet und als man keine Spur Thompsons fand schaltete man selbst Hellseher und Geisterbeschwörer ein. Thompson jedoch blieb verschwunden. In der Folge entwickelten sich eine Unzahl an Theorien über sein Verschwinden und er selbst wurde zu einer Legende.
Die naheliegendste Theorie besagte, dass Thompson sich verlaufen oder einen Unfall gehabt habe. Dagegen spricht jedoch die Tatsache, dass man trotz intensivster Suche nie etwas von ihm fand und auch die Ureinwohner des Dschungels, die diesen wie ihre Westentasche kennen und die an der Suche beteiligt waren, fanden nie auch nur den Hauch einer Spur.
Eine andere Theorie besagte, Thompson wäre von einer malayischen Banden entführt worden, um Lösegeld zu erpressen, was zu dieser Zeit nicht gerade ungewöhnlich war. Besonders reiche Chinesen wurden oft Opfer von Entführungen. Es gab jedoch nie eine Lösegeldforderung und auch auf die hohe Belohnung, die für Hinweise auf den Verbleib Thompsons ausgesetzt worden war, sprang nie jemand an.
Andere meinten, Thompson wäre aus politischen Gründen entführt worden. Evtl. stecke sogar Pridi Banomyong, der in China lebte und mit kommunistischen Umtrieben im Grenzland in Verbindung gebracht wurde, dahinter. Vielleicht sei Thompson sogar freiwillig verschwunden, da er ein CIA-Agent gewesen sei und ihm der Boden zu heiss geworden wäre. Dies wurde jedoch von der CIA verneint und auch seine veröffentlichten Akten liessen keinerlei Verbindungen zu dem Gehiemdienst erkennen. Laut CIA sei Thompson aufgrund seiner liberalen Ansichten und seiner freundschaftlichen Kontakte auch zu Kommunisten ohnehin denkbar ungeeignet für eine Agententätigkeit gewesen. Ausserdem war Thompson so tief in seine Arbeit mit der Thai Silk Co. vetieft gewesen, dass seine Freunde meinten, er hätte schlicht keine Zeit für eine Tätigkeit als Agent gehabt, selbst wenn er gewollt hätte. Auch Pridi meinte, als man ihn auf die Entführungstheorie ansprach, es habe nie einen Grund gegeben, etwas mit oder gegen Thompson zu planen, da dieser zumindest in politischer Hinsicht, keinen Wert gehabt habe. Gegen eine politische Entführung spricht desweiteren auch der Tatort. Eine Entführung in Malaysia hätte einiges an logistischen Vorbereitungen erfordert und auch unkalkulierbare Risiken beinhaltet. Darüberhinaus wussten nur wenige Menschen von Thompsons Reise zu den Cameron Highlands. Hätte man Thompson entführen wollen, hätte man jeden Tag viel bessere Gelegenheiten dazu gehabt, da er es liebte, allein durch Bangkok und seine Märkte zu spazieren und seine täglichen Wege kein Geheimnis waren.

Jim Thompson wurde 1974 offiziell für tot erklärt, ohne dass es je einen Hinweis auf sein Schickal gegeben hätte. Sein Neffe und Erbe liess Thompsons Besitz in eine Stiftung umwandeln. Sein vielbewundertes Thai-Haus ist heute ein Museum und wird jeden Tag von Hunderten Menschen besucht.

 
 
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