Die thailändische Küche gilt mit ihren Grundzutaten Knoblauch und vor allem Chili nicht umsonst zu einer der schärfsten der Welt und so manches romantische Abendessen endete in einem Fiasko aus Schweissausbrüchen, roten Köpfen und Schmerzen. Wer jedoch die Schärfe der Thai-Küche zu schätzen weiss, kennt das plötzliche Gefühl regelrecht suchtartigen Heisshungers, dass er angesichts Tom Yam, Som Tam und der verschiedenen Curries entwickeln kann.
 
Ursache für die Schärfe ist ein kristallines Alkaloid namens Capsaicin, genauer gesagt eine Gruppe von Alkaloiden, den Capsaicinoiden, von denen allerdings das Capsaicin das wichtigste ist.
Capsaicin ist geruch- und geschmackslos. Dies erscheint auf den ersten Blick unverständlich, wird aber später erklärt. Es ist eine sehr beständige Substanz, die weder durch Einfrieren, noch durch die beim Kochen vor-herrschenden Temperaturen zersetzt wird. Capsaicin ist in Wasser fast unlöslich, löst sich aber gut in Alkohol und Fett. Capsaicin ist ungiftig, zumindest konnte man bislang keine tödliche Dosis ermitteln.
Ein normaler Mensch kann Capsaicin noch in einer Verdünnung von eins zu einer Million ( 1ppm ) wahrnehmen.
Es tritt in der Chilischote hauptsächlich in den hellen Scheidewänden und der Plazentawand auf. Im Fruchtfleisch findet man recht wenig Capsaicin, weshalb man Chilis auch entschärfen kann, indem man sie halbiert und die hellen Anteile entfernt, was ich mir joch bei kleinen Schoten recht mühsam vorstelle.
 
Warum es brennt ?
Wie schon erwähnt, ist Capsaicin geschmacklos, Schärfe ist nämlich keine Geschmackswahrnehmung, sondern, einfach gesagt, Schmerz. Capsaicin beeinflusst die Rezeptoren auf der Zunge, die normalerweise für Wärmereize zuständig sind. Die eigentlichen Geschmacksrezeptoren reagieren auf Capsaicin gar nicht. Dem Nervensystem wird also auf chemischem Wege eine Verbrennung vorgetäuscht.
Dieser Schmerzreiz wird vom Körper mit der Ausschüttung von Endorphinen - körpereigenen Schmerzmitteln - beantwortet. Diese Endorphine bewirken in hoher Konzentration einen morphiumähnlichen Rausch, der Euphorie auslösen kann (zumindest wenn der Schmerz dann nachlässt). Man spricht hierbei auch vom "Pepper-High". Dies erklärt auch den regelrechten Heisshunger, den man auf scharfe Speisen entwickeln kann. Thais zumindest fühlen sich definitiv glücklicher, wenn sie scharf gegessen haben.
Die Einnahme von Capsaicin führt übrigens zu einer Desensibilisierung der entsprechenden Rezeptoren, weshalb man sich durchaus an die Schärfe gewöhnen, sich den Genuss scharfer Speisen sogar regelrecht antrainieren kann. Der Geschmackssinn wird hierbei, wie schon erwähnt, nicht beeinträchtigt, im Gegenteil : Die "trainierte" Zunge ist sogar in der Lage, weitere Geschmacksrichtungen der Speisen zu erkennen, während die "untrainierte" Zunge einfach nur vor Schmerz betäubt ist.
 
Was tun, wenn es brennt ?
Um im Jargon der Feuerwehr zu bleiben : Zunächst einmal Ruhe bewahren !!
Der erste Impuls, nämlich mit Wasser zu löschen, ist tatsächlich genau der Falsche. Wie schon erwähnt, ist Capsaicin wasserunlöslich. Spülen mit Wasser führt vielmehr zu einer weiteren Verteilung des Capsaicins im Mundraum, was eine Verschlimmerung zur Folge hat. Natürlich möchte ich niemanden zum Trinken verleiten, da Capsaicin aber sehr gut in Alkohol löslich ist, lindert der Genuss starker alkoholischer Getränke, z.B. Wodka, die Schärfe spürbar. ( Hinzu kommt natürlich der Effekt, dass man ab einer gewissen Anzahl von Drinks allgemein recht desensibilisiert ist. )
Am Besten hilft Milch, da diese neben Fetten auch noch Kasein enthält, welches das Capsaicin besonders gut löst. In Thailand dürfte es allerdings recht schwierig werden, in einem Restaurant Milch zu bekommen. Ansonsten helfen fetthaltige Speisen, z.B. Salat mit Dressing, oder man isst viel Reis, um das Capsaicin einfach mechanisch aus dem Mundraum zu bekommen. Vieles hilft, nur Wasser, wie gesagt, leider gar nicht.
 
Scoville-Einheiten
Der Schärfegrad ist z.B. für die Hersteller von Sossen und Gewürzen von entscheidender Wichtigkeit, da sie natürlich in allen Produkten eine gleichbleibende Schärfe garantieren wollen. Ausserdem ist Capsaicin auch pharmakologisch von Interesse. Aus diesem Grunde entwickelte man schon recht früh eine Skala für die verschiedenen Schärfegrade. Benannt ist diese Skala nach dem Chemiker Wilbur Scoville, der sie 1912 entwickelte. Scoville verabreichte hierzu Testpersonen verschiedene Chiliextrakte und ermittelte, in welcher Verdünnung sie den Wirkstoff noch wahrnahmen. Aufgrund der Desensibilisierung liefert dieser Test allerdings kaum reproduzierbare Ergebnisse, weshalb man den Gehalt an Capsaicin heute mit chemischen Methoden ermittelt und dann in Scoville-Einheiten umrechnet.
Ein Gehalt von 6,25 * 10-6 % entspricht hierbei einer Scoville-Einheit. Hieraus ergibt sich, dass reines Capsaicin einen Scoville-Wert von 16 000 000 hat.

Hier ein paar Beispiele von Scoville-Werten :
 
16 000 000 - reines Capsaicin
100 000 bis 500 000 - Habanero-Chilis
30 000 bis 50 000 - diverse Thaigerichte
5000 bis 15 000 - Tabasco-Sauce, Jalapenos
100 bis 500 - ungarische Paprika
10 bis 100 - eingelegte Peperoncini
0 - Gemüsepaprika, Bananen
 
Schärfegrad
Wie man unschwer erkennt, ist die Scoville-Skala aufgrund ihrer Werte für den Laien nicht besonders aussagekräftig. Aus diesem Grunde entwickelte man eine weitere Einteilung in sogenannte "Schärfegrade". Die grobe Umrechnung von Scoville-Einheiten in Schärfegrade erfolgt nach folgender Formel , wobei S der Scoville-Wert ist.
 
Alles was grösser als 10 ist, bekommt den Schärfegrad 10, alles was negativ wird, bekommt Schärfegrad 0.
Natürlich ist dies alles sehr subjektiv und das Wissen um Scoville-Einheiten und Schärfegrade hilft natürlich in der entsprechenden Situation nicht wirklich weiter. Man sollte sich einfach vor Augen halten, dass es beim nächsten Mal schon nicht mehr ganz so schlimm wird und dass Menschen, die scharf essen können, aufgrund erhöhter Endorphinausschüttung einfach glücklicher sind.
 
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